Von der „Fem-ily“ zur „V-amily“
17. August 2022
Zwar geht die Frauen-Fußballsaison erst Ende August los, doch die Planungen nach dem Aufstieg der SPG Union Kleinmünchen/FC Blau-Weiß Linz in die höchste Liga sind fast abgeschlossen. Trainer Gerald Reindl und Athletikcoach Gerhard Braunschmid im Interview über den Aufstieg, welches Fazit sie nach einem Jahr Kooperation mit dem FC Blau-Weiß Linz ziehen, Ab- und Neuzugänge, und welches Geheimnis hinter dem unglaublichen Teamspirit unseres jungen Frauenteams steckt.
Lasst uns kurz Revue passieren: Wie habt ihr die Nervenschlacht um den Aufstieg am WSC-Platz erlebt und was ist euer Saisonfazit?
Gerald: „Wir haben im Vorfeld alles versucht, um die Nervosität zu nehmen. Beim Aktivierungstraining in Melk hat das Team unheimlich viel Coolness ausgestrahlt, doch sobald wir am Platz waren, begann es mit der Nervosität. Wir sind gut gestartet, aber schon nach 20 Minuten hat man den Schlusspfiff ersehnt. In einem solchen Jahr war auch das Glück auf unserer Seite. Wir mussten schwierige äußere Bedingungen wegstecken. So schön Teameinberufungen auch sind, die Spielerinnen fehlen dir am Platz. Dazu kam, dass unsere Torfrau im Winter ihr Karriereende verkündete und wir auch noch die Zweite verloren haben. Wir hatten teilweise eine Feldspielerin im Tor, weil unsere dritte Torfrau noch nicht 15 war. Und dann ist sie gerade mal 15 und spielt dreimal zu Null und du wirst mit einem Team mit einem Altersschnitt von 17 Jahren Meister.“
Wie war euer Weg in den Frauenfußball und was macht ihr eigentlich im Zivilberuf?
Gerald: „Ich bin Bautechniker. Zum Frauenfußball kam ich durch Zufall. Gerhard und ich waren vorher beim LASK im Nachwuchs tätig. Kleinmünchen hat eine große Tradition, und die Emotion war vom ersten Augenblick an da. Ich war zuerst etwas mehr als zwei Jahre Co-Trainer und bin seit 2010 Headcoach. Als ich zum Verein kam, ist Kleinmünchen erstmals abgestiegen. Damals begannen die ersten Vereine Aufwandsentschädigungen zu zahlen und wir verloren viele Spielerinnen. Also sagten wir: Wie können wir nachhaltig etwas bewegen? Die Antwort lag in einem Ausbildungsverein, und der wird bis heute gelebt.“
Gerhard: „Ich komme eigentlich aus der Leichtathletik und war zehn Jahre lang Trainer von Andrea Mayr. Ursprünglich bin ich durch meine Tochter zum Kunstturnen gekommen. Sie ist Leistungsturnerin. Irgendwann hieß es, wenn du bei Turnern Athletik trainierst, funktioniert es auch beim Fußball. Ich bin dann nach Kleinmünchen gekommen und geblieben. Vom Zivilberuf bin ich Polizist im Innendienst.“
Wie habt ihr im Vorfeld die Kooperation mit Blau-Weiß Linz erlebt und was ist euer Fazit nach etwas mehr als einem Jahr?
Gerald: „Blau-Weiß hat gleich beim Erstgespräch gesagt den Weg des Ausbildungsvereins mitgehen zu wollen. Wir sind im Frauenfußball in OÖ das Aushängeschild Nr. 1 mit einer eigenen Akademie mit drei Nachwuchs-Teams und trotzdem haben wir gewusst wir brauchen einen Partner, um uns weiterzuentwickeln.“
Gerhard: „Dann hat sich Stefan Reiter gemeldet und ab dem ersten Satz, den er mit unserer Sektionsleiterin Christine Holzmüller gewechselt hat, war klar, dass die Kooperation fixiert wird. Da war dieselbe Leidenschaft dabei.“
Gerald: „Die Werte von Kleinmünchen und Blau-Weiß decken sich komplett. Das Familiäre und Soziale ist Basis einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Unser Kapitäninnenteam hat bei Stefan und Stephi eine Liste an Wünschen abgegeben, und alles wurde 1:1 so umgesetzt. Das ist vielleicht ein großer Unterschied zum Männerfußball: Wenn Frauen das Vertrauen verlieren, dann ist es vorbei. Das was man sagt muss man halten und das hielt auch. Bisher mussten unsere Spielerinnen etwa die Ausrüstung selbst bezahlen und es gab keinerlei Entschädigungen. Das hat sich geändert.“
Gerhard: „Ein weiterer Unterschied zu den Männern ist vielleicht auch noch, dass es unseren Frauen ganz wichtig ist, dass Schmährufe gegenüber Gegnerinnen Tabu sind.“
Man merkt selbst als Zuschauer welch eingeschworenes Team ihr seid. Was ist das Geheimnis dieses Geistes?
Gerald: „Wir haben wohl das beste Betreuerteam in Österreichs Frauenfußball, sowohl von der Größe als auch von der Erfahrung her. Wir haben mit Gerhard einen Athletiktrainer, den sonst keine andere Mannschaft hat. Co-Trainer Thomas Wuest ist einer, der immer für die Mannschaft da ist. Seit heuer haben wir einen Videoanalysten und eine Beweglichkeitstrainerin, die vom Kunstturnen kommt. Flo Weber ist nicht nur unser Stadionsprecher, sondern auch sowas wie unser Teampsychologe. Mit Markus haben wir einen Torfrautrainer und mit Christl an der Spitze eine Institution im Frauenfußball, die gemeinsam mit Stephanie Höller zu 100 % hinter dem Team steht. Und dann können wir auf die Erfahrung von Stefan Reiter zurückgreifen. Wir haben tolle Nachwuchs-Trainer und können die Synergien zur FFA (Frauen-Fußball-Akademie) nutzen. Man kann fast sagen: Wir haben eine Staff wie Red Bull Salzburg, aber alles mehr oder weniger ehrenamtlich. Wir leben: ´We are Vamily´- mit ´V´.“
Gerhard: „Dazu kommt die medizinische Betreuung von Bella und Gaby, sowie Franz unserem Sportwissenschaftler, und natürlich Eugen, der uns als Manager sehr viel Arbeit abnimmt.“
Wie sehen die Planungen für die kommende Saison aus und was erwartet ihr euch?
Gerald: „Das Team konnte zum Großteil gehalten werden. Jasmin geht nach England und macht den nächsten Karrieresprung. Isabel macht die Schule in Wien und wechselt deshalb zur Vienna. Neu dazu bekommen wir vier Spielerinnen, wie die U19 Torfrau von Bergheim, Hanna Wöhry von Wacker Innsbruck, sowie Laura Pfeiffer und Alexandra Wimmer von Bergheim. Dazu kommen acht Neuzugänge aus unserer Akademie, die alle erst 14 Jahre alt sind und von denen wir uns einiges für die Zukunft versprechen. Das Ziel ist ein einstelliger Tabellenplatz.“
Gerhard: „Das Motto lautet: ´Come back and stay´. Alles zwischen Platz 6 und 9 sollte drin sein, alles andere ist ein Bonus.“